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Prostitution als "available option" in Worms

Im Kunstverein Worms beschäftigt sich der Mannheimer Installationskünstler Kurt Fleckenstein mit dem kontroversen Themenkomplex Sexarbeit und deren Wahrnehmung: Ausbeutung oder selbstbestimmte Option?


Fleckenstein kam auf dieses Thema, als er sich wie bei seinen vergangenen ortsbezogenen Installationen mit der Geschichte des Raumes beschäftigte. Der Kunstverein Worms, in der Nähe des Hauptbahnhofs gelegen, ist ein weißgefließtes ehemaliges Küchenstudio, das für kurze Zeit ein Erotikcenter. Das war für den Künstler der Anstoß, sich mit dem Thema Sex als Ware zu beschäftigen. Dabei stieß er auf die Soziologin Laura Maria Agustin, die 2007 mit "Sex at the Margins: Migration, Labour Markets and the Rescue Industry" für Aufsehen sorgte. In der Studie diagnostiziert sie rescue industry und anti-trafficking feminists, Prostituierte einer bourgeoisen Betrachtunsgweise zu unterwerfen, die Sexarbeiterinnen ausschließlich als zu rettende Opfer begreift. Agustin setzt dieser Betrachtungsweise das Bild der selbstbestimmten und -gewählten Option Sexarbeit entgegen. Um nicht einen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Agustin verneint weder Menschenhandel noch Zwangsprostitution, wendet sich aber gegen eine Betrachtungsweise der diese Frauen ausschließlich als wehrlose Opfer sieht.


Fleckenstein konfrontiert den Betrachter mit Zitaten aus einem Interview mit Agustin. Die Aussagen sind auf ein Labyrinth aus transparenten Folien aufgebracht. Der Besucher ist somit gezwungen, sich durch die Aussagen hindurchzuarbeiten. Am Ende dieses Parcours steht der Weg zu einem White Cube offen, aus dessem Inneren Rotlicht durch die halbgeöffnete Tür in den kalten, weißgekachelten Theorieraum dringt. Eingetreten, sieht der Betrachter sich der Realtität der available option gegenüber: Fleckenstein hat hier ein bis in die kleinste Einzelheit originalgetreues Prostituierten-Zimmer aufgebaut.


Kurt Fleckenstein stellt hier unkommentiert beide Seiten des Diskurses gegenüber. Eine abschließende persönliche Position möchte der Künstler dabei nicht einnehmen, sondern die Beschäftigung mit dem Themenkomplex Sexarbeit als available option anstoßen. Eine Beschäftigung übrigens, die auch im Inneren jedes Betrachters möglich ist.


Fleckenstein widerspricht mit seiner Installation Agustin allerdings deutlich, indem er die kalte Realität von Sexarbeit Agustins kontroversen Aussagen entgegenstellt. Damit steht Fleckenstein nicht alleine; zahlreiche Kritiker werfen Agustin vor, Menschenhandel und Prostitution zu verharmlosen.


Ob Agustins Thesen aber einfach nur "haarsträubend" (Fleckenstein) sind, bleibt dem Betrachter überlassen. Eine Antwort darauf wird aber wohl nur finden, wer sich weitergehend mit dem Thema beschäftigt. Einige Links zum ersten Einstieg finden sich am Ende des Artikels.
Die Installation läuft bis zum 11.03.2012 im Kunstverein Worms, Renzstrasse 7-9. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch von 18-20 sowie Samstag und Sonntag 15-20 Uhr.


Links zum Thema:
"Diese Frauen sind nicht naiv": Laura Maria Agustin im Interview der NZZ, 26. Juli 2009
Der Autor hat im Auftrag des Künstlers die Installation fotografiert. Dieser Artikel steht in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Foto-Auftrag.
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